ÜBERSETZUNG AUS DER HEBRÄISCHEN SPRACHE
Artikel aus israelhayom.co.il
Von Eldad Beck
Abgeordneter der Alternative für Deutschland: „Man kann uns nicht mit Nazideutschland vergleichen.“
Dr. Götz Frömming, Abgeordneter der AfD, behauptet, dass die Partei „keine Gefahr für die Demokratie darstellt“, dass die Partei eine politische Verfolgung erlebe, die für sie eine reale Gefahr sei,und dass die Europäische Union zu einer Gemeinschaft mit einem gemeinsamen Schicksal geworden sei, die von finanzpolitischen Erwägungen geleitet würde. Des Weiteren behauptet er, es sei nicht zulässig, auf Deutschland zu verzichten, „indem man viele Menschen aus anderen Ländern hierhin bringt“.
Der 20. Deutsche Bundestag hat diese Woche seine Arbeit begonnen, begleitet von einer Vielzahl von Zwischenfällen, die mit der rechtspopulistischen Partei „Alternative für Deutschland“ in Verbindung gebracht wurden; letztere wird vom Verfassungsschutz als zum Teil rechtsextrem eingestuft.
Die Partei, die 2013 aus Protest gegen die finanzielle Unterstützung durch Deutschland zur Lösung der „Eurokrise“ gegründet worden war, verlor bei den Wahlen im September ihren Status als größte Oppositionspartei und zwei Prozent ihres Stimmenanteils bei den letzten Bundestagswahlen. Einige sehen darin das beginnende Ende der Partei, doch viele in ihren Reihen sehen dies als Bestätigung, dass sie weiterhin eine stabile und präsente Kraft in der deutschen Politik darstellt. Wie dem auch sei, setzen die übrigen im Bundestag vertretenen Parteien ihre Politik des totalen Boykotts der AfD fort.
Die liberale Partei [FDP], die mit fast absoluter Sicherheit von den Reihen der Opposition in die Reihen einer künftigen Koalition wechseln wird, forderte, dass ihre Abgeordneten nicht mehr neben denen der AfD platziert werden sollten, um damit klarzustellen, dass ihr Platz im Zentrum und nicht in Nachbarschaft zur „extremen Rechten“ sei. Vor vier Jahren verhinderten die übrigen Fraktionen die Wahl eines AfD-Vertreters zum Amt eines Bundestagsvizepräsidenten, während alle anderen Parteien einen Vizepräsidenten stellten. Die anderen Fraktionen verhinderten, dass der Ehrenvorsitzende der AfD, der 80 Jahre alte Alexander Gauland als Alterspräsident den neuen Bundestag eröffnen soll, wie es die Satzung vorschreibt. In der Vergangenheit hatte Gauland für großes Entsetzen gesorgt, als er erklärte, die Deutschen könnten auf die Soldaten der deutschen Armee in den beiden Weltkriegen stolz sein und die Zeit der Naziherrschaft sei lediglich ein „Vogelschiss“ der gesamten deutschen Geschichte.
Der 20. Bundestag ist der größte und jüngste in der Geschichte des demokratischen Deutschlands. Er zählt 735 Abgeordnete, von denen 63 zwischen 23 und 30 Jahre alt sind. Die Eröffnungssitzung leitete der dienstälteste Abgeordnete, der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble von der CDU. Der Sprecher der AfD protestierte zu Beginn der Sitzung gegen das nicht ordnungsgemäße Verfahren und behauptete, dass das einzige Parlament im Laufe der vergangenen 200 Jahre, dessen Sitzungsperiode nicht durch den ältesten Abgeordneten eröffnet wurde, dasjenige gewesen sei, das 1933 unter den Nazis fungierte. „Ist Hermann Göring (der 1933 als Präsident des Reichstags amtierte) Ihr Modell?“, provozierte der Sprecher der AfD die Abgeordneten der übrigen Fraktionen und erntete lautstarke Schmährufe.
„Die Alternative für Deutschland – ein komplexes und Neugier erregendes Phänomen“
Kurze Zeit nach den Wahlen nahm einer der Assistenten des AfD-Abgeordneten, Dr. Götz Frömming, mit mir Kontakt auf. Ein von mir kürzlich in der Zeitung „Israel Hayom“ veröffentlichter kritischer Artikel zum Verhältnis von Deutschland zu Israel war im Büro von Frömming auf Interesse gestoßen, und ich wurde zu einem Meinungsaustausch zu diesem Thema eingeladen. In der Legislaturperiode des vergangenen Bundestags förderte die AfD eindeutig israelische Interessen und legte die offizielle deutsche Heuchelei gegenüber Israel offen. Die Aktivität der AfD veranlasste andere Parteien dazu – in der Regierung oder in der Opposition – eigene Initiativen zu ergreifen, und sei es nur, um den Anschein einer proisraelischen Haltung zu bewahren. Vor einigen Tagen waren die Vertreter der AfD im Europäischen Parlament die einzigen, die gegen die Fortsetzung der europäischen Finanzierung für die UN-Flüchtlingshilfe [UNHCR, d. Übers.] stimmten, im Gegensatz zu den übrigen deutschen Parteien, die weitere Geldzahlungen an eine UN-Behörde unterstützten, die den Hass gegenüber Israel fördert und verbreitet.
Im Gegensatz zum offiziellen Israel und der Spitze der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland habe ich kein Problem, mich mit Vertretern der AfD zu treffen. Das ist ein Teil meiner journalistischen Arbeit. Die AfD macht mir auch keine Angst, ich sehe sie als ein komplexes und Neugier erregendes Phänomen im Zusammenhang mit der Entwicklung einer neuen deutschen nationalen Identität. Götz Frömming, 53 Jahre alt und Doktor der Germanistik, Geschichtslehrer und führender Vertreter der AfD im Bereich Erziehung, ist Ausdruck dieser Komplexität. Sein politisches Engagement begann er als „grüner“ Aktivist zur Bewahrung der Umwelt, doch mit der Zeit wurde er zu einem der Gründer der AfD. Ich wollte über ihn versuchen, das Phänomen AfD zu verstehen.
Beck:
„Niemand will neben Ihnen im Bundestag sitzen, und die anderen Parteien weigern sich, einen Vizepräsidenten aus ihren Reihen zu wählen. Ist die AfD so gefährlich?“
Dr. Frömming:
„Wir sind keine Gefahr für die Demokratie. Vielleicht sind wir eine Gefahr für die anderen Parteien, die sich daran gewöhnt haben, zu lange an der Macht zu sein. Der berühmte Jurist und deutsche Parteienforscher Hans-Herbert von Arnim hat schon davor gewarnt, dass die alteingesessenen Parteien den Staat zu ihrem Eigentum gemacht und Funktionenübernommen hätten, die über die Beschränkungen hinausgingen, die den Parteien in der Verfassung auferlegt würden. Jede neue Partei mischt am Anfang die Karten neu und stört. Unsere Partei stört vor allem die bestehende politische Ordnung, wie alle Parteien, die auf der Rechten entstehen, doch wenn man auf die Vergangenheit schaut, so hatten die etablierten Parteien bereits Schwierigkeiten, den Eintritt der Grünen und der Linkspartei, der Nachfolgerin der herrschenden Partei im kommunistischen Osten Deutschlands, zu verkraften. Diese Situation erinnert mich an einen Kindergarten, zu dem ein neues Kind stößt, das versucht, seinen Platz im Sandkasten zu finden, wobei die anderen Kinder nicht bereit sind, ihm auf ihre Kosten Raum zu geben. Ich hoffe, dass es sich hier um einen Gewöhnungsprozess handelt, der eines Tages zu Ende gehen wird, andernfalls wird unsere Demokratie tatsächlich ein langfristiges Problem haben: das Ignorieren von zirka 10 Prozent der Wähler, die die AfD wählen.“
Beck:
„Sie haben andere Fälle erwähnt, bei denen es Schwierigkeiten gibt, neue Parteien zu akzeptieren, doch gab es schon Fälle, bei denen dazu aufgerufen wurde, Parteien aus allen Parlamenten zu entfernen, wie es jetzt mit der AfD geschieht? Ein solcher Aufruf kam nicht nur von den politischen Gegnern, sondern auch von der Führung der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland.“
Dr. Frömming:
„Wir erleben schon einige Zeit eine Situation, in der versucht wird, die Bürger in Deutschland zu überzeugen, nicht die AfD zu wählen. So wird von vielen Seiten ein riesiger politischer Druck auf die Wähler aufgebaut, sei es direkt oder indirekt. Auch berühmte Sänger und Schauspieler gaben Erklärungen gegen die Partei ab. Das ging so weit, dass auch Künstler, die im Verdacht standen, sich vielleicht mit Positionen der AfD zu identifizieren, oder die neutral in ihrer politischen Haltung waren, unter Druck gesetzt wurden zu erklären, dass sie gegen die Partei sind.“
Weiter fügte Dr. Frömming hinzu:
„Ich kann mich an keine Situation in der Vergangenheit erinnern, in der eine derart extreme Ablehnung einer Partei herrschte. Hinter dieser Partei verbergen sich Menschen mit ihren persönlichen Geschichten. Die öffentliche Stigmatisierung der AfD schadet ihnen, zum Beispiel in ihren Möglichkeiten, eine Arbeit zu finden und führt dazu, dass bestimmte aggressive und totalitäre Gruppen aus der extremen Linken spüren, dass es ihnen erlaubt ist, Politiker der AfD physisch zu attackieren. Viele meiner Kollegen wurden bereits angegriffen, geschlagen, und ein Teil von ihnen wurde verletzt und ihre Privatfahrzeuge wurden angezündet. Es herrscht eine Gewalt, die einen kollektiven Aufschrei vor allem von Seiten der Parteien, die sich demokratisch nennen, hätte hervorrufen sollen, die Gewalt der extremen Linken zu verurteilen. Das ist jedoch nicht geschehen.“
Beck:
„Sie beschreiben eine politische Verfolgung.“
Dr. Frömming:
„Ich habe viele Jahre als Geschichtslehrer gearbeitet. Es ist spannend, sich der Politik zuzuwenden und zu sehen, wie Geschichte produziert wird. Als Student und als junger Lehrer fragte ich mich häufig, wie es sich in anderen Phasen unserer Geschichte anfühlte, nicht der zentralen Strömung der deutschen Geschichte anzugehören. Ich habe immer zur ‚zentralen‘ Strömung gehört, auch in der Phase, in der ich in der Bewegung zum Schutz der Umwelt aktiv war. In dieser Zeit galten die Grünen zwar als Störer der bestehenden Ordnung, doch waren wir ein Teil der Mehrheit. Ich kannte das Gefühl nicht, einer Minderheit anzugehören und das Gefühl zu haben, aus der Allgemeinheit entfernt zu werden und mit einem Stigma behaftet zu sein. Dieses Gefühl bekam ich erst, als ich der AfD beitrat. Mein historisches Wissen half mir in gewisser Hinsicht, mit dieser Erfahrung umzugehen und ermöglichte mir, mich in dieser Situation zu prüfen und zu sehen, was das mit mir macht. Wie geht man damit um, wenn man mit Parteifreunden in ein Restaurant geht und Angst hat, was passieren könnte, wenn mich jemand erkennt? Wenn jemand zum Besitzer geht und sagt: ‚Dieser Mann ist Politiker der AfD‘. Dies ist eine reale Gefahr für uns alle. Parteimitglieder kommen in ein Hotel und bekommen kein Zimmer, da sie erkannt wurden. Sie werden aus Restaurants geworfen oder nicht bedient. Wir hatten in der deutschen Geschichte bereits Situationen, in den Menschen wegen ihrer politischen Ansichten oder religiösen Anschauung aus der Gesellschaft entfernt wurden. Ich nehme an, dass die Empfindung von damals unserer Empfindung heute ähnlich ist. Ich bin sehr vorsichtig beim Anstellen historischer Vergleiche. Natürlich hatte der Ausschluss aus der Allgemeinheit in der Zeit des Nationalsozialismus eine ganz andere Dimension, die es zu unserem Glück heute nicht gibt.“
Beck:
„Wie wird ein Umweltaktivist zu einem AfD-Politiker?“
Dr. Frömming:
Es gab keinen Trigger, der plötzlich dazu führte, dass ich von einer Seite zur anderen wechselte. Das war eine Entwicklung. Was zwischen den beiden verband, war eine grundsätzliche konservative Haltung, die auch meiner Aktivität für den Schutz der Umwelt zugrunde lag: der Wille, die Heimat, die Natur und die Landschaft vor zerstörerischen Einflüssen zu schützen. Dies ging auch von einer ästhetischen Sensibilität und einem Gefühl aus, dass diese Veränderungen zu schnell und zu bedeutend für die Natur sind. Dieses Gefühl erneuerte sich bei mir in den Jahren 2010-2011, als ich sah, dass die Einführung des Euro und die Vertiefung der Europäischen Union einen negativen Einfluss auf das Land hatten, in dem ich aufgewachsen war und ein Gefühl der Fremdheit schafft. Die Entscheidungen, die hinsichtlich der Zukunft getroffen wurden, waren nicht transparent, es gab keine demokratischen Kontrollmechanismen über diese. Mehr und mehr wurden Kompetenzen von Berlin nach Brüssel übertragen und letzten Endes bestanden für die Bürger sehr wenig Möglichkeiten, diese Entwicklungen zu beeinflussen. Daher entstand bei mir der Wille, das Rad der Geschichte in die Hände zu nehmen und zu versuchen, dahingehend Einfluss auszuüben, dass die Nationalstaaten ausreichend souverän bleibenund die Kooperation zwischen ihnen nur dort erfolgen sollte, wo dies notwendig war. So wurde ich vom Bewahrer der Umwelt zu einem Kritiker der Europäischen Union. Ich gehörte der Partei seit ihrer Gründung an und habe miterlebt, was mit ihr seither passiert ist. Gaben die Eurokrise und die demokratische Fehlentwicklung, die mit ihr einherging, den Anstoß zur Gründung der Partei [der AfD, der Übers.], erfolgte die zweite Geburt 2015, als die deutsche Regierung beschloss, die Einwanderung ins Land nicht mehr zu kontrollieren.
Beck: „Die Partei wurde aus einem Gefühl heraus gegründet, dass die Demokratie in Deutschland bedroht ist?“
Dr. Frömming:
„Die Entscheidungen, die damals getroffen wurden, hatten einen demokratischen Charakter. Tragischerweiseverzichtet der Bundestag bis zum heutigen Tag auf seine Kompetenzen und überträgt diese an die Regierung. Das haben wir auch beim Krisenmanagement bei Corona gesehen. Der Bundestag überträgt freiwillig seine Beschlusszuständigkeit an die Exekutive. So wurde auch auf eine Reihe von Zuständigkeitenaufgrund einer meiner Meinung nach nicht rationalen Begeisterung für die europäische Idee, d.h. für die Europäische Union, verzichtet und an Europa übertragen. Es herrschte ein Gefühl vor, dass die Deutschen vor ihrer Geschichte fliehen können, von ihrem Nationalstaat in die Vereinigten Staaten von Europa und so nicht mehr alleine für die deutsche Geschichte verantwortlich sind. Für mich schien das immer ein ängstlichesVorgehen zu sein. Es geht nicht, auf den Staat zu verzichten, indem Kompetenzen an die Europäische Union abgetreten werden oder indem man Menschen aus anderen Staaten nach Deutschland bringt, sodass man letzten Endes kein deutsches Volk mehr erkennen kann. In Frankfurt sind 80 Prozent der Kinder unter sechs Jahren nicht ‚biodeutsch‘, sondern haben einen Migrationshintergrund und ein ganz anderes Verhältnis zur deutschen Geschichte, sie gehört ihnen nicht. Sie sagen: Wir haben keine Verbindung zum Dritten Reich, unsere Eltern sind aus Syrien, dem Libanon, aus anderen Orten. Wir haben keine Verantwortung für das, was geschehen ist.“
Beck:
„Hat Ihre Arbeit als Lehrer einen Einfluss auf Ihre Entscheidung, in die Politik zu gehen?“
Dr. Frömming:
„Absolut, nachdem ich mich ganz intensiv mit diesen Themen beschäftigt hatte. Am Anfang habe ich die Aktivitäten der Europäischen Union mit großem Interesse verfolgt. Als junger Mann bin ich mit dem Zug durch ganz Europa gefahren. Damals hatte jedes Land eine eigene Währung,und das war recht beschwerlich. So waren wir alle am Anfang für die Einheitswährung, und so haben wir mit Begeisterung den europäischen Gedanken in der Schule unterrichtet sowie die verschiedenen Phasen der Vereinigung. Doch schon damals traten erste Zweifel auf, vor allem im Zusammenhang mit der Einheitswährung. Es zeigten sich Schwierigkeiten, die aufgrund des Versuchs entstanden, eine monetäre Einheit Wirtschaftssystemen aufzuzwingen, die unterschiedlich aufgebaut waren. So wurden deutsche Produkte verbilligt und Produkte aus den Staaten Südeuropas verteuert. Auf diese Weise sind ganze Wirtschaftszweige in diesen Ländern zusammengebrochen und es war notwendig, Gelder aus Deutschland in diese Länder zu transferieren. Die Idee eines Europas souveräner Staaten, die sich freiwillig zusammenschließen, wurde verändert.“
Dr. Frömming erklärte:
„Die Europäische Union ist zu einer Gemeinschaft mit einem gemeinsamen Schicksal geworden, die von finanzpolitischen Erwägungen geleitet wird, was dazu führt, dass niemand zufrieden ist. Die Deutschen sind unzufrieden, da sie Gelder an andere Länder überweisen müssen, obwohl ihnen versprochen wurde, dass sie nie für die Schulden anderer haften müssten. Demgegenüber sind die Länder, die Hilfe bekommen haben, wegen der Bedingungen und der Reformen, die ihnen auferlegt wurden, unzufrieden. In diesen Ländern wurden die demokratischen Prozesse von externen Kräften durchgeführt. Das griechische Parlament konnte nicht selbst entscheiden, wie hoch die Renten sind, und die Italiener konnten ihre Währung nicht den lokalen Wirtschaftsentwicklungen anpassen. Das Gegenteil von dem wurde erreicht, was ursprünglich durch die Europäische Union erreicht werden sollte. In Athen kam es zu Demonstrationen, in denen Merkel in einer Naziuniform gezeigt wurde, und der Zwang hatte zur Folge, dass sich die Völker Europas voneinander entfernten. Wir haben die Folgen dieser Anschauung gesehen, als die europäischen Fanatiker eine gesamteuropäische Verfassung aufzwingen wollten und einen weiteren, zu weitgehenden Schritt gehen wollten, nämlich die Vereinigten Staaten von Europa zu errichten. Die Verfassung scheiterte bei einer Reihe von Referenden, und es gab einige Staaten, die überhaupt kein solches Referendum in dieser Frage abhielten. In Deutschland gibt es zum Beispiel kein Referendum. Angesichts dieses Scheiterns wurde der Versuch unternommen, die Verfassung auf anderem Wege zu beschließen. Dieses Verhalten führte dazu, dass das Volk Großbritanniens, einer der größten Staaten der Europäischen Union, seine Schlüsse zog, und trotz der erwarteten wirtschaftlichen Nachteile entschied es sich mehrheitlich, die Europäische Union zu verlassen. Gegenwärtig revoltieren andere Staaten gegen die Europäische Union, obwohl ihnen mit wirtschaftlichen Sanktionen gedroht wird. Die VisegradStaaten (Polen, Ungarn, Tschechien und die Slowakei) sagen: ‚Wir sind nicht einverstanden, die Europäische Union entscheiden zu lassen, wie wir unsere Länder gestalten, welche Richter wir ernennen, und überhaupt haben die Deutschen kein Recht, uns irgendetwas vorzuschreiben.‘ Die Polen fürchten Anweisungen, die mit Deutschland verbunden sind und indirekt über die Europäische Union erteilt werden, und dies hängt mit ihrer Geschichte zusammen.“
Beck:
„Haben Sie als Geschichtslehrer mit Schülern mit Migrationshintergrund gearbeitet, wie war das für Sie?“
Dr. Frömming:
„Ich habe sowohl an heterogenen wie auch an homogenen Schulen gearbeitet, was die Zusammensetzung der Schülerschaft betrifft. In Berlin war meine Arbeit herausfordernder. Es gab Klassen, bei denen meine erste Frage war ‚Wer von euch spricht zu Hause Deutsch?‘ und sehr wenigeHände gingen hoch. Nur für eine Minderheit war Deutsch Alltagssprache. Meine nächste Frage war: ‚Wer von euch hat deutsche Freunde, d.h. mit deutschen Wurzeln und nicht nur mit deutscher Staatsangehörigkeit?‘ Auch hier war die Antwort meist, dass sie keine deutschen Freunde haben. Das war der Ausgangspunkt.“
Beck:
„Kann man in solchen Klassen das Thema Holocaust und Israel unterrichten?“
Dr. Frömming:
„Auf ganz andere Art verglichen mit Klassen, in denen die Schüler mehrheitlich deutscher Abstammung sind. Für muslimische Familien mit Fluchterfahrung, ein Teil davon Palästinenser, haben die Dinge eine höchst unterschiedliche Bedeutung. Sie anerkennen diese Geschichte nicht als die ihre. Sie interessieren sich dafür so, wie sie sich für die Eroberung Amerikas durch die Spanier und was damals mit den Inkas geschah, interessieren. Das scheint ihnen zeitlich weit entfernt, auch wenn die Bezugnahme auf das kommunistische oder das Naziregime bei ihnen überraschende Gedanken über die historischen und politischen Zusammenhänge hervorruft. Es gibt bestimmte Dinge, die man nicht erzählen kann, da die Schüler vielleicht über bestimmte Erlebnisse mit Israel gehört oder solche erlebt haben. Die Geschichten, die sie gehört haben, sind stärker als das, was in deutschen Geschichtsbüchern steht. Der Einfluss ist sehr viel größer, wenn die Schüler zu Hause oder in der Moschee negative Dinge über Israel hören, sodass es für die Lehrer in der Schule schwer ist, ein anderes Bild von Israel heute oder damals zu vermitteln.“
Zum Schluss frage ich ihn, was man denen erwidern soll, die behaupten, dass sich die Partei radikalisiere.
Die Reaktion von Dr. Frömming ist wie folgt:
„Es gibt ein Narrativ, das sich seit 2013 wiederholt. Nach jeder Wahl der Parteiführung, nach jedem politischen Ereignis, gebe es Nachweise dafür, dass sich die Partei radikalisiere und sich nach rechts bewege. Aus meiner persönlichen Erfahrung kann ich dieses Narrativ nicht bestätigen. Ich teile nicht die inflationäre Verwendung von Begriffen und Bildern, wonach aus jedem sofort ein Nazi gemacht wird. Die radikale Linke, auch innerhalb der Sozialdemokratie, findet natürlich immer Nazis, und dies gilt auch für Parteien, die sich links von der SPD befinden. Auch die Polizei ist für diese nazistisch, die Bundeswehr, der Staat. Alle sind Nazis. Wenn man bei der Verwendung dieser Begriffe übertreibt, auch um das Bürgertum vor der Wahl bestimmter Parteien zu warnen, hat dies Folgen. Man kann dies im Westen Deutschlands sehen, dort gibt es andere politische Traditionen, und es scheint, dass diese Bilder im Zusammenhang mit der Partei einen Einfluss ausüben und zur Folge haben, dass wir nicht mehr als 10-12 Prozent der Stimmen bekommen können. Im Osten Deutschlands funktioniert die Stigmatisierung von uns nicht. Das Nazietikett und die Tatsache, dass wir in gewissen Bundesländern unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stehen, was auf uns feindlich gesinnte Parteien zurückzuführen ist, beeinflussen die Öffentlichkeit nicht. Diese vertraut ihrem eigenen Urteilsvermögen. Die Leute kommen zu unseren Veranstaltungen, hören unseren Kandidaten zu und wählen diese mehr als Kandidaten anderer Parteien. In vielen ostdeutschen Bundesländern sind wir ernsthafte Konkurrenten der anderen großen Parteien und an bestimmten Orten haben wir sie sogar von ihrer Führungsposition verdrängt. Eine extremistische Partei hätte dies nicht erreichen können, da die Mehrheit der Bürger keine Extremisten will. Auch wenn sich in den Reihen der Partei Personen befinden sollten, die zur Auflösung der Demokratie oder einem militanten Umsturz aufrufen, werden diese keine Erwiderung und kein Gehör finden. Es gibt keine Unterstützung für solche Haltungen in der Partei. Werden solche Kräfte gefunden, reagieren wir darauf mit Ablehnung.“
Des Weiteren sagt Dr. Frömming:
„Eine Gefahr der Radikalisierung kann nicht ausgeschlossen werden, doch gegenwärtig sehe ich sie nicht. Wir wurden in Landesparlamente gewählt, zweimal ins Europäische Parlament, zweimal in den Bundestag. Es handelt sich hier um eine gesellschaftliche Kraft, hinter der Millionen Bürger stehen, und man muss mit dieser mit parlamentarischen Mitteln umgehen. Niemand fordert, dass alle mit dem, was wir sagen, einverstanden sind. Man muss das jedoch ernst nehmen und darf unsere Positionen nicht dämonisieren. Man darf uns nicht die ganze Zeit mit der Nazidiktatur vergleichen oder Vergleiche anstellen, die den Stellenwert jener Zeit herabmindern. Wir vertreten legitime Positionen hinsichtlich der Zukunft Deutschlands oder Europas, die nicht im Einklang stehen mit den Positionen des Mainstreams, aber man kann sie nicht ignorieren. Hinzu kommt, dass wir Positionen verteidigen, die früher Positionen anderer Parteien waren. Merkel warnte in der Vergangenheit vor der Gefahr einer multikulturellen Gesellschaft. Wir sind in einen politischen Raum getreten, den andere Parteien verlassen haben. Alle wollen heute in der Mitte sein, niemand möchte länger rechts sein. Auch Konservative und Liberale, die traditionell rechte Parteien waren, wollen heute in der Mitte stehen. Auch eine Platzierung auf der rechten Seite des Parlaments, der Ursprung der Aufteilung in links und rechts, ist zum Synonym für die extreme Rechte geworden. Man sagt nicht mehr rechts, sondern sofort Nazis. So wird der für das demokratische Leben wichtige rechte Teil abgeschnitten. In meinen Augen, ungeachtet davon, dass ich rechts sitze, ist das höchst problematisch, da der politische Diskurs massiv eingeschränkt wird, und alles, was nicht einbezogen wird, wird zu einem Tabu.“
Beck:
„Ist die Tatsache, dass die Partei jetzt zusammen mit den Unionsparteien in der Opposition sitzt, für Sie eine Gefahr oder eine Chance?“
Dr. Frömming:
Es ist noch zu früh zu sagen, in welche Richtung sich die Dinge entwickeln werden. Ich würde aber trotzdem sagen, dass wir es sowohl mit einer Gefahr als auch mit einer Chance zu tun haben. Wir wissen nicht, was die Positionen der Unionsparteien sein werden. Sie werden uns sicherlich nicht ermöglichen, gewisse Themen zu besetzen. Sie müssen ihre neue Rolle in der Opposition zuerst definieren und die kommende Regierung kritisieren. Gleichzeitig möchten sie verhindern, zu sehr mit uns gleichgesetzt zu werden. Die große ideologische Nähe, die zwischen unseren beiden Parteien besteht, sowie die Tatsache, dass viele unserer Mitglieder früher Mitglieder bei der CDU waren, führt zu einer stärkeren Distanzierung von uns. Demgegenüber wissen wir von vielen persönlichen Kontakten, dass zahlreiche konservative Abgeordnete diese Distanzierung nicht unterstützen, und sie teilen mit uns viel mehr Inhalte als mit den Linksparteien. Die Chance, die ich sehe, ist die einer vorsichtigen Annäherung zwischen beiden Parteien“.
Außerdem sagte er:
„Bei der CDU muss sich ein Bewusstsein entwickeln, dass die AfD weiter existieren wird. Bis jetzt haben sie gehofft, dass wir verschwinden. Jedoch wenn wir weiter existieren, werden die Christdemokraten ein strategisches Problem haben, da ihr direkter Gegner, die Sozialdemokraten, von einem Pokerspiel um die Macht profitiert, bei dem er mehr Karten in der Hand hält. Die Sozialdemokraten können jederzeit sagen: ‚Wir können mit den Liberalen regieren, mit den Grünen und auch mit der Linken.‘ Die Christdemokraten haben keine großen Alternativen: Mit den Liberalen haben sie keine Mehrheit, mit den Grünen haben sie Schwierigkeiten. Sie lehnen es kategorisch ab, mit der Linken und mit der AfD eine Koalition zu bilden. Diese Haltung ist falsch. Verzichten sie auf ihre Weigerung, mit uns zusammenzuarbeiten, haben sie zunächst die Möglichkeit, in den Ländern Koalitionen zu bilden. In einer Demokratie müsste das möglich sein. Die Zeit wird uns zeigen, ob dieser Prozess noch vier Jahre oder zwölf Jahre dauert, doch langfristig ist es nicht möglich, eine Partei zu ignorieren, die auf der politischen Bühne steht. Dieser Prozess wird auch uns beeinflussen. Wenn eine neue Partei zum politischen System stößt, muss sich das System öffnen, aber auch die neue Partei. Die Grünen haben einen sehr langen Prozess durchlaufen seit ihrer Gründung vor 40 Jahren bis zu derStelle, an der sie sich heute als Teil des Establishments befinden. Das wird auch uns passieren. Man kann nicht sagen: ‚Ich will nicht Politiker sein, aber ich möchte sehr wohl Politik machen‘. Wir sind Teil der Demokratie. Die Tatsache, dass es die AfD gibt und sie Erfolge bei den Wahlen erzielt, ist ein Beweis dafür, dass unsere Demokratie funktioniert und Veränderungen möglich sind.“
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