Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Junge Freiheit, 02.10.2020, von JÖRG KÜRSCHNER
Die Feiern zum 30. Jahrestag der Deutschen Einheit haben einen langen, holprigen Vorlauf. Was auch damit zusammenhängt, daß Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) in der Endphase seines Wirkens Nachlässigkeiten unterlaufen, die von der Opposition begierig aufgegriffen werden. Etwa im April vergangenen Jahres, als er die Haushaltsmittel von 61 Millionen Euro für die Feier erst kurzfristig einstellte. So war der Eindruck entstanden, der Festakt sei ihm gleichgültig.
Sogar die einst besonders einheitskritischen Grünen nahmen Maß an dem CSU-Politiker. Das zeige, „daß der Heimatminister die wichtigen Fragen zum Zusammenhalt unserer Gesellschaft nicht im Blick hat", rüffelte Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. Zur Überra- schung vieler Beobachter kündigte der CSU-Politiker dann die Bildung einer Kommission an, die das Programm für die Feierlichkeiten erarbeiten sollte. „Wenn du nicht mehr weiterweißt, gründe einen Arbeitskreis", wurde seinerzeit im Regierungsviertel geunkt.
Zu Recht, wie sich schon bald herausstellen sollte. Sage und schreibe 22 Mitglieder, überwiegend Politiker wie etwa Kanzlerin Angela Merkel (CDU), gehören dem Gremium an, dessenVorsitz der frühere brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) innehat. Der Arbeitsauftrag für die Handlungsanweisungen: „Dialoge führen — Meilensteine würdigen — Wissen vermitteln". Als „Meilensteine" werden etwa die Montagsdemonstrationen in Leipzig, der Fall der Mauer oder die Ein-führung der D-Mark genannt. Kreativität Fehlanzeige. Gastgeber der Einheitsfeier ist Brandenburg, da es derzeit den Vorsitz im Bundesrat innehat. So präsentieren sich in der Landeshauptstadt Potsdam wie üblich alle 16 Bundesländer, die Verfassungsorgane wie Bundestag und Bundesrat sowie weitere Institutionen.
Und Fehlanzeige auch bei der Berücksichtigung der Opfer der SED-Diktatur. „Es gibt keine einzige Veranstaltung, die irgend etwas mit dem SED-Unrecht zu tun hat", kritisierte Dieter Dombrowski, der Vorsitzende des Häftlingsverbands UOKG. Ein Gespräch mit Platzeck habe „nicht funktioniert", so Dombrowski, der viele Jahre für die CDU im brandenburgischen Landtag saß. Platzeck habe als Einheitsgegner dem Einigungsvertrag in der Volkskammer seinerzeit nicht zugestimmt. In der Tat hatte er, damals noch bei den Bündnis-Grünen aktiv, den Plenarsaal verlassen und sich vor der Abstimmung gedrückt.
Da wundert es nicht, daß für das vom Bundestag beschlossene Mahnmal für die Opfer der kommunistischen Diktatur noch nicht einmal ein Standort festgelegt worden ist. „Nicht diskutieren, machen", fordert der Berliner Bundestagsabgeordnete Götz Frömming (AfD) seit Jahren.
Die indifferente Haltung gegenüber nationalen Symbolen der Wiedervereinigung zeigt sich auch beim Einheitsdenkmal, das ursprünglich im November 2019 in Berlin feierlich eingeweiht werden sollte. Der Termin scheiterte an Finanzierungsfragen. Im vergangenen Mai erst erfolgte der symbolische Spatenstich — dreißig Jahre nach der Wiedervereinigung.
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