Obwohl die Impfpriorisierung seit dem 07. Juni 2021 bundesweit aufgehoben wurde, geht es mit dem Impftempo nur schleppend voran. Gerade in sozialen Brennpunktvierteln mit hohem Migrationsanteil lassen sich viele Menschen nur schwer erreichen, das zeigt u.a. ein im Mai durchgeführter Pilotversuch in Neukölln. Von den rund 10.000 Eingeladenen, erschien gerade mal ein Fünftel, um sich impfen zu lassen. Ein ähnliches Ergebnis zeigte sich bei einem schnell organisierten Impfangebot in Unterkünften für Geflüchtete in Neukölln. Hier nahmen nur rund fünf Prozent der Bewohner das Impfangebot wahr (rbb24).
Statistiken belegen, dass insbesondere in Stadtteilen mit hoher Arbeitslosigkeit und einem hohen Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund (Geflüchtete und Nicht-EU-Ausländer) ein erhöhtes Infektionsgeschehen beobachtet werden kann (Statistisches Amt und Gesundheitsamt Stuttgart).
Bereits im März 2021 zeigten sich RKI-Chef Lothar Wieler und Klinik-Ärzte beunruhigt über die Auslastung der Intensivbetten. Zwar werden offiziell keine Daten zur sozialen Herkunft der Patienten erhoben, Berichte verschiedener Ärzte, ebenso wie konkrete Zahlen aus den Nachbarländern Österreich und der Schweiz bestätigen jedoch, dass es sich bei dem überwiegenden Teil der Therapiebedürftigen auf den Intensivstationen um Patienten mit Migrationshintergrund handelt (Focus Online).
Vor diesem Hintergrund habe ich nachgefragt, welche Kenntnisse der Bundesregierung über den Impffortschritt bei in Deutschland lebenden Ausländern bzw. Bürgern mit Migrationshintergrund vorliegen.
Die Antwort ist wenig überraschend, jedoch bedenklich: Personen mit Migrationshintergrund weisen im Vergleich eine geringere Impfquote auf (51,1% mindestens erstgeimpft, 24,1% vollständig geimpft) als Personen ohne Migrationshintergrund (66,7% mindestens erstgeimpft, 28,5% vollständig geimpft) (COVIMO-Studie).
Dass die Bundesregierung ihre aktuellen Bemühungen dennoch auf eine Bevölkerungsgruppe konzentriert, für die ausdrücklich keine Empfehlung durch die STIKO existiert und die nach jüngsten wissenschaftlichen Erhebungen (CODAG-Bericht) zudem keinen relevanten Beitrag zum Infektionsgeschehen leistet, ist ein weiterer Trugschluss in einer langen Reihe von Fehlentscheidungen.
Anstatt Kinder und Jugendliche gegen den Rat von Expertenin den Fokus der Impfkampagne zu stellen, wäre es wünschenswert, die Bundesregierung würde eine zielführende Strategie entwickeln, um die Impfquote unter Menschen mit Migrationshintergrund voranzutreiben. Denn gerade hier scheint es noch großen Nachholbedarf zu geben.
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