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Schüler als Erntehelfer - Bauernverband begrüßt Vorschlag


Das Thema „Schüler und Studenten als Erntehelfer“ wird derzeit äußerst kontrovers diskutiert und – was abzusehen war – höchst polemisch und diffamierend von den Medien und Kommentatoren in den sozialen Netzwerken aufgegriffen und gegen die AfD verwendet. Dabei wurde inzwischen ein ähnlicher Vorschlag auch aus der SPD heraus und von Bauernverbänden erhoben. Der Landesbauernverband Brandenburg beispielsweise unterstützt, wie ich in einem Telefonat mit einem der Vizepräsidenten des Verbandes erfuhr, den Vorschlag. Der Bedarf an Arbeitskräften sei wirklich groß. Felder und Ernten drohten zu verkommen, und das nicht nur während der jetzigen Spargelsaison, sondern auch später im Jahr. Zur Klärung habe ich die wichtigsten Fragen und Einlassungen und meine Antworten zum Thema gesammelt:

F.: Wird durch den Ernteeinsatz der Schüler die schulische Arbeit nicht entwertet?

A.: Das Gegenteil ist der Fall. Der Vorschlag, Schüler bei der Ernte helfen zu lassen, beinhaltet keineswegs eine generelle Abwertung oder Entwertung der schulischen Arbeit. Bitte beachten Sie zunächst, dass ich mich zu einem Zeitpunkt, wann die Schüler eingesetzt werden könnten, überhaupt nicht geäußert habe. Ob das nun während der Zeit der Schulschließung oder in den Ferien stattfindet, habe ich bewusst offengelassen. Schüler und Lehrer sollen also jetzt nicht unmittelbar, etwa während wichtiger Prüfungszeiten usw. "den Griffel fallen lassen", um aufs Feld zu gehen. Die Osterferien stehen aber doch in allen Bundesländern kurz bevor und wir müssen befürchten, dass die Situation noch länger so bleiben könnte.

F: Der Vorschlag erinnert an den „Reichsarbeitsdienst“ der NS-Zeit, finden Sie nicht?

A: Der NS-Vergleich ist völlig absurd. Noch viele Jahre nach dem Krieg war es in West- wie Ostdeutschland üblich, dass Schüler bei der Ernte geholfen haben. Dass der Einsatz von Schülern in der Landwirtschaft möglich war und ist, zeigt ein Blick in die Geschichte. Der bayerische Merkur schreibt: "In der DDR waren Schüler und Studienanfänger regelmäßig zum Ernteeinsatz herangezogen worden. Auf dem Gebiet der alten Bundesrepublik hießen die Herbstferien früher auch „Kartoffelferien“, weil mancherorts bis in die 1960er-Jahre auch Schulkinder aus der Stadt - gegen ein geringes Entgelt - bei der Ernte halfen." Schüler als Erntehelfer, das war in Bayern noch in den 70er Jahren ein Argument für die Ferienplanung: br.de.

Hier zwei weitere Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit:

Warum also nicht sich in Notzeiten auf diese Tradition besinnen?

F: Ist das nicht ein zu großer Eingriff in schulische Abläufe?

A: Ich kenne die Abläufe und wechselnden Anforderungen im Verlauf eines Schuljahres sehr gut. Selbstverständlich wäre die Entscheidung, ob und wann eine Klasse unseren Landwirten hilft, immer eine individuelle Entscheidung der jeweils Verantwortlichen, also der Schul- und Klassenleitung sowie der Eltern, die ihre Zustimmung erteilen. Und natürlich muss dabei auf andere wichtige schulische Anforderungen, wie die Vorbereitung und Korrektur von Prüfungen, Rücksicht genommen werden. Es gehen ja auch niemals alle Schüler (und Lehrer) aufs Feld, sondern nur die, die das wollen, um einen Beitrag zur Sicherung der Ernährung der Bevölkerung zu leisten. 

F: Ist diese Art des Arbeitseinsatzes Ihrer Meinung nach pädagogisch sinnvoll?

A: In allen Bundesländern ist es üblich, Klassenfahrten, Exkursionen, Skireisen und andere, nicht unmittelbar unterrichtlichen Aktivitäten auch während der offiziellen Unterrichtszeit und nicht in den Ferien stattfinden zu lassen. Freilich haben alle diese Aktivitäten einen pädagogischen Wert; immerhin sollen sie ja auch in einen unterrichtlichen Zusammenhang eingebettet sein (soweit die Theorie!) Aber ist nicht auch der Einsatz in der Landwirtschaft mindestens ebenso pädagogisch wertvoll? Man denke nur an den sozialen Aspekt – der unmittelbaren Erfahrung der Hilfe für die Gemeinschaft. Wieso soll denn die Erntehilfe pädagogisch unsinnig sein, der Klassenausflug zur Bowlingbahn aber sinnvoll?

F: Wie soll man dem Durchschnittsschüler diese Arbeit als pädagogisch sinnvoll vermitteln?

A: Ich möchte an Kurt Hahn, den Gründer des Internats Schloss Salem am Bodensee, erinnern. Zu seinen pädagogischen Grundüberzeugungen gehörte es, den Schülern schon früh echte Aufgaben und wirkliche Verantwortung für die Gemeinschaft zu übertragen. Daher rührt bis heute das Konzept der Dienste in Salem mit THW, Sozialdienst, Sanitätsdienst usw. Wenn es ein Pädagoge versteht, seinen Schülern zu vermitteln, dass es jetzt auf sie ankommt, damit andere mit frischen und gesunden Lebensmitteln versorgt werden können, dann bin ich mir sicher, dass viele Jungs und Mädchen gerne dabei wären. Sie würden sich wahrscheinlich ihr ganzes Leben daran erinnern. Für mich ist das keine Entwertung schulischer Arbeit, sondern im Gegenteil ihre pädagogisch sinnvolle Ergänzung und ein wichtiger Beitrag zu einer "allgemeinen Menschenbildung" (Humboldt).


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