Schon zu normalen Zeiten leisten Ärzte, Krankenschwestern und Pfleger enorm viel und arbeiten oft am Rande der Erschöpfung. Viel zu spät hat die Politik auf die heraufziehende Krise reagiert. Hektisch wurden in den letzten Tagen Beatmungsgeräte, Atemschutzmasken und anderes, fehlendes medizinisches Gerät bestellt. Wenn die verantwortlichen Politiker die Zeichen aus China, den asiatischen Ländern und insbesondere Italien früher richtig gedeutet hätten, wären wir jetzt nicht in einer derart brenzligen Lage. Nun rächt sich die in den vergangenen Jahren zu exzessiv betriebene Kommerzialisierung unseres Gesundheitswesens.
Einsparungszwang und Wettbewerbsdruck haben dazu geführt, dass Ärzte, Krankenschwestern und Pfleger an unseren Gesundheitseinrichtungen zu schlecht bezahlt werden. Die fehlenden Pflegekräfte sind in so kurzer Zeit jetzt nicht aufzutreiben. Insbesondere zeigt sich, dass es eine Schnapsidee war, diese von Mexiko nach Deutschland holen zu wollen. Bei entsprechend besserer Bezahlung und familienfreundlicheren Arbeitszeiten ließen sich auch in Deutschland genügend Menschen für die medizinischen und pflegerischen Berufe begeistern. Laut Aussage des Präsidenten des Deutschen Pflegerats, Franz Wagner, fehlten bereits im Jahr 2018 30.000 Pflegekräfte. Weitere 100.000 fehlen mittelfristig zusammen in der Alten- und Krankenpflege. Da sind die im Koalitionsvertrag veranschlagten 8.000 zusätzlichen Pflegekräfte geradezu lächerlich. (1) Gesundheitsminister Spahn hat anscheinend aus diesen alarmierenden Zahlen nichts gelernt und hat nun „massiven Personalmangel in der Pflege“ einräumen müssen – eine Bankrotterklärung vor seiner ureigensten Aufgabe! (2)
Wir haben als Oppositionsfraktion oft auf diese Missstände hingewiesen. Leider erwiesen sich die in Verantwortung stehenden Politiker der anderen Parteien als beratungsresistent. Dies hat sich in der aktuellen Krise wieder einmal mehr bewahrheitet. Statt weitere, warnende Stimmen hinzuzuziehen oder die Erfahrungen anderer Länder, insbesondere Chinas, Südkoreas, Taiwans und letztlich auch Italiens angemessen zu berücksichtigen, verschanzte man sich hinter den Empfehlungen eines sehr begrenzten Kreises von Experten - in erster Linie des Robert Koch-Instituts. Dabei hätte man vor allem auch internationale Einrichtungen konsultieren müssen, wie beispielsweise die Johns Hopkins-Universität in den USA. Auch der Weitblick asiatischer Wissenschaftler wäre hier sehr hilfreich gewesen, da man in Asien viel größere Erfahrungen mit der Bewältigung von Epidemien hat als bei uns. Es drängt sich der Verdacht auf, dass man vor allen Dingen auf die wenigen Berater gehört hat, auf die man hören wollte. Denn sie sagten, was ins politische Programm passte – zum Beispiel, dass Grenzschließungen nicht möglich seien.
Erst unter dem Druck der Ereignisse, als es gar nicht mehr anders ging, und sämtliche Länder um Deutschland herum zu weiteren Maßnahmen, wie Schulschließungen, Begrenzung von Veranstaltungen und schließlich Grenzschließungen griffen, musste man auch in Deutschland nachziehen. Kanzlerin Merkel, Gesundheitsminister Spahn und die Bildungs- und Forschungsministerin Karliczek handelten, zusammen mit der Mehrheit der Ministerpräsidenten, wie Getriebene - um einen bekannten Buchtitel des WELT-Journalisten Robin Alexander zu zitieren.
Dieses Zögern und Aussitzen, was ja ein Markenzeichen des Regierungsstils von Angela Merkel ist, erweist sich aber bei der Bewältigung einer epidemischen Krisensituation als fatal. Wir wissen aus evidenzbasierten Vergleichsstudien zu den Entwicklungen in China, dass schon ein einziger versäumter Tag eine Änderung der Sterberate von bis zu 40 Prozent ausmachen kann. (3)
Die Bundesregierung hätte es besser wissen müssen und besser wissen können. Ich habe beispielsweise die Bildungs- und Forschungsministerin Anja Karliczek persönlich im Ausschuss dazu befragt, ob sie denn mit ihren Kollegen in den asiatischen Ländern Kontakt aufgenommen habe. Dazu konnte sie mir keine Antwort geben. Ebenso sträubte sie sich dagegen, den Ländern die Schließung von Schulen zu empfehlen, und stützte sich dabei auf die Empfehlung von Gesundheitsminister Spahn. Herr Spahn wiederum versteckte sich hinter der Position des Robert Koch-Instituts, die aber zu diesem Zeitpunkt nur eine von vielen war. Andere führende Virologen, wie beispielsweise Prof. Alexander Kekulé, haben schon viel früher, ebenso wie ich, Schulschließungen empfohlen.
Um zwei, drei Wochen verlängerte Schulferien sind organisatorisch eine für Eltern und Schüler lösbare Aufgabe – wie sich ja jetzt auch zeigt. Entsprechend meinen Empfehlungen (siehe pdf-Anhang) wurden für die Schüler, deren Eltern in kritischen Bereichen arbeiten, Notbetreuungen eingerichtet. In den dadurch ausgedünnten Klassen und Kindergartengruppen sinkt die Ansteckungsgefahr erheblich.
Wie beispielsweise bei der Hochwasserkatastrophe in Hamburg, bei der Helmut Schmidt seine Fähigkeiten erstmals unter Beweis stellte, oder auch bei der Schneekatastrophe in Schleswig-Holstein in den Siebzigerjahren, zeigt sich auch in dieser Krise, welche Politiker wirklich fähig sind. Es sind vor allem die gut geführten Nationalstaaten, die in dieser Zeit das Heft der Führung in die Hand genommen haben. Die EU hat bisher zur Bewältigung dieser Pandemie praktisch nichts beigetragen. In Deutschland waren es schließlich die einzelnen Bundesländer, die handelten. Weder die Bundesregierung, noch die Konferenz der Minister bzw. Kultusminister waren fähig, ein gemeinsames, abgestimmtes Vorgehen zu beschließen.
Schließlich müssen wir jetzt alle unseren Teil zur Bewältigung dieser Krise beitragen. Meiden Sie alle öffentlichen Veranstaltungen, bleiben Sie zuhause, nehmen Sie ein gutes Buch, einen möglichst langen Roman, und tun Sie all die Dinge, für die man sonst in diesem hektischen Leben oft keine Zeit findet. Ich wünsche Ihnen und Ihren Angehörigen alles Gute und vor allen Dingen Gesundheit.
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